Wie verändern sich durch die Digitalisierung Arbeits- und Innovationsprozesse?

Neue Internettechnologien und eine allgemein zunehmende Vernetzung führen verstärkt zu einer Öffnung von Arbeits- und Innovationsprozessen. Über das Internet können Unternehmen potentielle und bestehende Kunden bereits früh in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einbinden. Die Verbraucher werden Teil des Wertschöpfungsprozesses und es kommt zu einem Wissensaustausch und zu Lerneffekten. Die Unternehmen profitieren von den Ideen der Verbraucher und der „Intelligenz der Masse“ und die Verbraucher wiederum können sich über potentiell interessante Produkte informieren und sie ihren Vorstellungen entsprechend mitgestalten und optimieren. Crowdsourcing und offenere Innovationsprozesse bestimmen die Zukunft der Arbeit.

Die Crowd – zum Beispiel interessierte Kunden aber auch hochspezialisierte Experten oder Designer – kann über geeignete Online-Plattformen zum Ideenaustausch erreicht werden. So können, ähnlich dem Cloud Computing, jeweils so viele Menschen erreicht werden, wie zur Lösung einer speziellen Aufgabe erforderlich sind. Aktuell gibt es Plattformen für die verschiedensten Formen der Beteiligung, von der Vergabe einfacher „Klickaufgaben“ zu hochkomplexen industriellen Aufgabenstellungen, über die passende Arbeitskräfte und Problemlöser gefunden werden können.

Die vor mir miterstellte Crowd-Studie 2014 ergab, dass die Mehrheit deutscher Unternehmen – nämlich 94 Prozent – bereits externe Akteure in ihre Wertschöpfungsprozesse einbindet. 18,9 Prozent der befragten Unternehmen nutzen dabei schon die Fähigkeiten der digitalen Crowd. Diese digitalen Kollaborationen finden bislang vor allem in Bereichen statt, in denen die Nutzung sozialer Medien selbstverständlich ist: im Marketing, im Kundenservice und in der Marktforschung. Im Bereich der Produktion spielt Crowdsourcing bislang eine eher geringe Rolle. Mit der Verbreitung des 3-D-Drucks könnte sich dies aber bald ändern.

Sind Unternehmen dem Hyperwettbewerb und den immer kürzeren Innovationszyklen aufgrund mangelnder interner Ressourcen nicht gewachsen, können sie über Crowdsourcing zusätzliche Inspirationen und Kapazitäten dazu gewinnen. Zugleich können sie auch von positiven Image- und Netzwerkeffekten profitieren, denn Kunden prägen eine Marke mit, wenn sie mit ihr interagieren. Die Nutzung der Crowd ist jedoch nicht aufwandsfrei, sondern erfordert Zeit und die Transformation traditioneller Unternehmen hin zu flexibleren und transparenteren Organisationen. Die notwendige Öffnung von Wertschöpfungs- und Entscheidungsprozessen gegenüber einer externen Crowd bedeutet für Unternehmen zwar einen gewissen Kontrollverlust, verspricht aber auch neues Innovationspotential.

Für weiterführende Einblicke in das Thema Crowdsourcing und Open Innovation empfiehlt sich folgende Literatur:

Al-Ani, Ayad; Stumpp, Stefan; Schildhauer, Thomas: Crowd-Studie 2014 – Die Crowd als Partner der deutschen Wirtschaft, HIIG Discussion Paper Series, Berlin 2014.

Schildhauer, Thomas: Schlüsselfaktor Cloud Computing, in: digital business CLOUD, Januar 2015, S. 24-25.

Schildhauer, Thomas; Stumpp, Stefan: Onlinepartizipation für den und mit dem modernen Verbraucher, in: Freytag, Michael (Hrsg.): Verbrauchervertrauen – Die neue vernetzte Welt: Herausforderungen für Unternehmen und Kunden, Frankfurter Allgemeine Buch, November 2015.

Send, Hendrik; Ebert, Julia; Friesike, Sascha; Gollatz, Kirsten; Schildhauer, Thomas: Online Mit­machen und Entscheiden – Partizipationsstudie 2014, Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, Berlin 2014.